„Sehen Hunde wie wir — oder ganz anders?“ Die Forschung zeigt: Hunde erleben die Welt anders, nicht schlechter — ihr Sehsystem ist auf Bewegung und Dämmerungslicht optimiert, nicht auf die feinen Farbabstufungen und Detailauflösung des Menschen. In diesem Beitrag fassen wir die wichtigsten wissenschaftlichen Befunde zusammen und gebe klare Alltagstipps — insbesondere für Herbst/Winter und die Jagdzeit.

  1. Farben: Hunde sehen vor allem Blau und Gelb. Rot und Grün verschwinden in einer Grauzone.
  2. Dämmerung: Hunde besitzen mehr Stäbchen, dadurch sind sie deutlich lichtempfindlicher und sehen Bewegungen auch bei wenig Licht. Menschen haben weniger Stäbchen und sehen in der Dunkelheit schlechter.
  3. Sehschärfe: Hunde erkennen weniger Details, weil ihre Stäbchen stärker „verschaltet“ sind. Menschen profitieren von der Fovea mit dichter Zapfenverteilung und sehen am Tag viel schärfer, haben aber schlechtere Nachtvision.

Deine Übersicht vom Blog Artikel:

  1. Farben: Welche Farben sehen Hunde?
    Der Einfluss vom Herbst – Winter auf die Sicht vom Hund
    Praxis-Tipp beim Spielzeugkauf oder Trainingszubehör
  2. Dämmerungs- und Nachtsehen: Warum Hunde bei schwachem Licht besser sind
    Wenn Hunde so gut im Dunkeln sehen – warum wirken manche trotzdem unsicher oder ängstlich in der Dämmerung?
  3. Gehirn-Verarbeitung: Hund vs. Mensch
  4. Der Einfluss auf Jagd- und Suchverhalten im Herbst und Winter

Stell dir vor, du trägst eine Sonnenbrille, die die Welt in Blau und Gelb zerlegt. So ähnlich sieht dein Hund.

  • Hunde sind dichromatisch: Sie besitzen nur zwei Zapfen-Typen.
    • S-Zapfen (~429 nm): reagieren auf kurzwelliges Licht → Blau.
    • L/M-Zapfen (~555 nm): reagieren auf mittlere/lange Wellen → Gelb-Grün.
  • Menschen sind trichromatisch: Wir haben einen zusätzlichen Rot-Zapfen und sehen dadurch ein breiteres Spektrum (inklusive kräftigem Rot und Grün).

Für Hunde verschmelzen Rot- und Grüntöne meist zu einem graubraunen Bereich. Ein roter Apfel im grünen Gras, der uns sofort ins Auge springt, ist für Hunde nur ein unscheinbarer Fleck.

Neuere Studien bestätigen dieses Bild:

  • Wissenschaftler wie Neitz & Jacobs oder Lee et al. konnten zeigen, dass Hunde – ähnlich wie Menschen mit Rot-Grün-Schwäche – kein eigenes „Rot“-Signal wahrnehmen.
  • Baragli et al. (2021) fanden heraus, dass Hunde im Alltag durchaus Farben nutzen, um Entscheidungen zu treffen – aber nur dort, wo ihr Sehsystem empfindlich ist: im Blau-Gelb-Spektrum.
  • Ganz spannend: Czeisler et al. (2024) zeigte mithilfe von Elektroretinographie, dass die Farbwahrnehmung auch vom Umgebungslicht abhängt. In der Dämmerung übernehmen die lichtempfindlicheren Stäbchen die Hauptarbeit – Farben treten dann fast vollständig in den Hintergrund.
    Das erklärt, warum Hunde bei diffusem Herbst- oder Winterlicht blau und gelb besonders kontrastreich sehen, während Rot und Grün noch stärker verblassen.

Im Herbst und Winter verändert sich das Licht: es ist diffuser, kühler und enthält mehr bläuliche Anteile.

Diffus heisst ohne starke Sonne, mehr Wolken, Nebel, tiefere Sonne. Das Tageslicht enthält dann mehr bläuliche Anteile, weil das Sonnenlicht flacher einfällt und die Atmosphäre die Rotanteile stärker streut oder absorbiert.

Rotes Spielzeug fordert die Nase deines Hundes, gelbes seine Augen. Wähle die Farbe je nachdem, was du trainieren möchtest.

  • Blaue oder gelbe Gegenstände (z. B. Dummy, Ball) heben sich für Hunde am besten vom Untergrund ab – egal ob Wiese, Laub oder Schnee.
  • Rote oder grüne Spielzeuge hingegen verschmelzen visuell häufig mit der Umgebung. Auf einer herbstlich-braunen Wiese wirkt ein roter Ball für den Hund oft nahezu unsichtbar – er orientiert sich dann stärker an Bewegung oder Geruch als an der Farbe.

Wir sehen das Rot im Wasser oder im Gras – Hunde nicht.

Sie arbeiten besonders über ihre Nase und achten auf Bewegungen.

Hunde haben im Vergleich zum Menschen mehr Stäbchen in der Netzhaut, grössere Pupillen und häufig ein Tapetum lucidum — eine reflektierende Schicht, die einfallendes Licht zurück zur Retina wirft. Das erhöht die Lichtempfindlichkeit besonders bei Dämmerung und Schwachlicht. Deshalb sind Hunde bewegungssensibler bei wenig Licht und machen sie zu Experten in der Dämmerung.

  • Bei schwachem Licht sehen Hunde noch Bewegungen, wo wir nur Schatten wahrnehmen.
  • Dafür haben sie weniger Sehschärfe – Details und feine Strukturen entgehen ihnen leichter.

Das erklärt auch, warum dein Hund beim Spaziergang in der Dunkelheit Dinge entdeckt, die du nicht einmal bemerkst.

1. Hunde sehen bei Dämmerung besser als wir, aber unschärfer.
→ Bewegungen erkennen sie sehr früh, feine Details oder vertraute Objekte dagegen verschwimmen. Ein Busch im Halbdunkel kann dann eher „unheimlich“ wirken, weil er nicht klar erkennbar ist.

2. Geräusch- und Geruchswahrnehmung gewinnen im Dunkeln noch mehr Gewicht.
→ Hunde orientieren sich stark an ihren anderen Sinnen. Unerwartete Geräusche oder Gerüche, die sie nicht sofort visuell bestätigen können, können Stress oder Unsicherheit auslösen.

3. Entwicklungs- und Erfahrungssache:
→ Welpen und unsichere Hunde zeigen häufiger Angst im Dunkeln, weil sie weniger Routinen und Erfahrungen haben (wir sind selten im Dunkeln unterwegs oder trainieren im dunkeln). Ältere Hunde mit nachlassendem Sehvermögen sind in der Dämmerung ebenfalls manchmal vorsichtiger.

Das Hundegehirn reagiert ganz anders auf visuelle Eindrücke als unseres. Für Hunde zählt vor allem Bewegung: Sie bemerken schneller, wenn jemand auf euch zukommt oder wenn im Feld ein Reh aufspringt – auch wenn sie das Objekt selbst gar nicht scharf erkennen können.

Besonders sensibel sind Hunde auch für soziale Reize. Studien mit fMRI-Scans zeigen, dass Gesichter und Gesten im Hundegehirn eine ganz eigene Bedeutung haben. Kein Wunder also, dass dein Hund deine Körpersprache oft besser liest als deine Worte – ein ruhiges Handzeichen sagt für ihn manchmal mehr als ein lautes Kommando.

Und während wir Menschen visuelle Eindrücke sofort in Kategorien wie „Auto, Ball, Stuhl“ einordnen, sortieren Hunde eher nach „sozial relevant“ oder „nicht relevant“. Andere Lebewesen – ob Hund, Mensch, Katze oder Wild – ziehen ihre Aufmerksamkeit viel stärker auf sich als unbewegte Dinge wie Autos oder Möbel.

Wenn es draussen trüb, neblig oder dämmrig wird, verändert sich auch das Verhalten vieler Hunde. Das liegt daran, dass sie sich bei der Jagd nicht auf Farben verlassen, sondern auf andere Reize: Bewegung, Kontraste und Gerüche.

Das dichromatische Sehen der Hunde ist dabei kein „Mangel“, sondern eine clevere Anpassung. In der Natur spielen Rot- und Grüntöne bei schwachem Licht ohnehin kaum eine Rolle. Viel wichtiger ist es, Bewegungen auch aus dem Augenwinkel wahrzunehmen – und genau das können Hunde besonders gut.

Für den Alltag heisst das:

  • Ein Reh, das unbeweglich im braunen Herbstlaub steht, bleibt für deinen Hund oft „unsichtbar“ – außer er steht in der Windrichtung und nimmt die Witterung über die Nase wahr.
  • Sobald sich das Reh aber bewegt, springt der Bewegungsreiz sofort ins Auge – und kann den Jagdinstinkt deines Hundes auslösen.

Deshalb wirken Hunde im Herbst und Winter häufig „plötzlicher“ jagdlich motiviert.

Das Licht, die Nebelstimmung und die unscharfe Sicht machen Bewegungssignale noch stärker und auffälliger, während Farben fast komplett an Bedeutung verlieren.

Viele Hunde wirken im Herbst besonders jagdmotiviert – das liegt nicht nur an ihrer verstärkten Wahrnehmung von Bewegung und Kontrasten, sondern auch am Geruch: Kühlere Bodentemperaturen und Feuchtigkeit sorgen dafür, dass Duftspuren länger haften und intensiver wahrgenommen werden können. So verbinden sich Sehen + Riechen zu einem idealen Jagd-Cocktail.

Grafik erstellt von Hundeschule Nase basierend auf Daten aus Neitz & Jacobs (1989), Mowat et al. (2019), Baragli et al. (2021), Czeisler et al. (2024).